Was ist die Kurzgeschichte von HELLA aus der Familienperspektive?
Andreas Kraler: Mein Großvater war Bürgermeister von Abfaltersbach und hat immer versucht, Arbeitsplätze zu schaffen. Als ein Unternehmen, das Jalousien produziert hat, in Konkurs gegangen ist, hat er, eigentlich Landwirt und Drechsler, das Unternehmen gerettet. Die Frau des Vorbesitzers war Schwedin und hat HELLA geheißen. Und dann ging es los. Überall, in der Garage, im Jugendheim, wurden Jalousien produziert. Mein Vater ist nach der technischen Schule eingestiegen und heute Aufsichtsrat.
Die Garage ist ja groß geworden …
AK: Ja, hier in Abfaltersbach haben wir mehrere Garagen mit 35.000 Quadratmetern.
Der richtige Kick zum Wachstum passierte 2003. Was ist geschehen?
AK: Zur Jahrtausendwende hat es einen Verdrängungswettbewerb gegeben. Mein Vater hat die Vision von meinem Großvater dann großgemacht und durch Übernahmen eine Offensive gestartet. 2003 haben wir die „Arabella“ in Deutschland übernommen, die damals sogar größer war als die kleine HELLA.
Der Automatisierungsgrad in der Herstellung ist wirklich imposant. Dennoch sieht man viele Mitarbeiter in der Fabrik und hat das Gefühl, die HELLA Jalousien sind handgemacht.
AK: Wir sind in der Tat eine Art Manufaktur, weil ja jede Bestellung einmalig ist. Wir produzieren nach Maß, haben nichts auf Lager. Der Sonnenschutz – in jeder Farbe, in jeder Konfiguration – ist stark individualisiert. Das ist eine Maßschneiderei.
Was ist die DNA eines HELLA Produktes?
AK: Die Liebe zum Detail, das man von außen nicht so sieht. Schon allein das Aufzugband ist ein eigener Mechanismus. Alles ist bei uns entwickelt worden. Komponenten wie der Motor werden zugekauft, aber das gesamte Umfeld und die Konzeption kommen von uns.
70 Prozent der Gebäude in Deutschland sind vor 1974 gebaut worden, als die Standards der Wärmedämmung geschaffen wurden. Da wird viel aufzuholen sein. Die Zukunft für HELLA ist also rosarot.
AK: Es ist schwer, heute fünf Jahre vorauszuschauen. Klar ist, dass die Erderwärmung fortschreitet, und natürlich sind Sonnenschutz und Wärmedämmung eine wichtige Antwort darauf. Klimawandel und das Klimamanagement für Gebäude sind ein Treiber für die gesamte Sonnenschutztechnik. Dazu wird es noch viele clevere Produkte geben müssen. An dieser Entwicklung arbeiten wir tagtäglich – gerade für das Sanierungsbedürfnis. Ein Vortragender bei einer Konferenz zu dem Thema hat mal gesagt, wenn man in Paris alle Klimaanlagen abschalten würde, würde die Temperatur um 3 Grad sinken. Das ist ja wegen dem Wärmeaustausch von innen nach außen logisch. Raffinierter Sonnenschutz könnte das hier gut bis zu einem gewissen Grad abfedern.
Warum hat HELLA ein eigenes Wasserkraftwerk?
AK: Mein Vater hatte sehr früh den nachhaltigen Gedanken, mit einem Kraftwerk den Strom, den wir verbrauchen, selbst zu erzeugen und durch die Ersparnis Geld für Innovationen zu haben. Wir wären autark, speisen aber unseren Strom ins Netz ein und beziehen die Energie aus dem Netz.
HELLA ist ja ein Metall verarbeitendes Unternehmen: Was macht HELLA gut und gut für die Welt?
AK: Mit dem Sonnenschutz an sich bewirtschaften wir Gebäude schon nachhaltig. Wir setzen bei unseren Produkten Stahl-Aluminium ein, das zu 100 Prozent recycelt werden kann, und natürlich verwenden wir auch recyceltes Aluminium.
Wissen Sie, ob die Jalousien bei Ihnen zu Hause gerade unten sind?
AK: Da muss ich kurz auf unserer App nachschauen. Das wissen wir gleich … Bei der Tochter sind die Jalousien oben und bei allen anderen unten. Aber bei der Tochter kann ich sie gleich runterlassen.
HELLA hat also eine eigene App und eine eigene Software. Wie kommt das?
AK: Wir haben vor Jahren ein Start-up gekauft, um die gesamte Steuerung autonom und intelligent zu entwickeln. Das Ziel ist immer, es für den User so einfach wie möglich zu halten. Das haben wir geschafft. Über einen QR-Code wird das Produkt eingescannt, und der Nutzer kann alles optimal einstellen.
Vor Ihrer Firma steht ein Denkmal von Ihrem Opa. Was würden Sie ihm heute über das Jahr 2022 erzählen?
AK: Ich würde ihm sagen, wir sind in sehr turbulenten und unsicheren Zeiten wegen des Krieges und der Lieferketten, aber wir sind auf einem guten Weg, unsere Ziele zu erreichen. Interessant ist, wie uns diese Herausforderungen als HELLA Familie noch stärker zusammenschweißen.