Die Presse: Widersprechen Sie mir, wenn ich Sie als Krisengewinner bezeichne?
Andreas Kraler: Unser Unternehmen hat durchaus von der Krise profitiert: einerseits durch Corona und andererseits durch den Klimawandel.
Also doppelter Krisengewinner.
Man muss aber erst einmal die Krise benennen: Ich glaube, dass die Klimakrise trotz allem noch nicht in allen Köpfen angekommen ist und dass eine Veränderung stattfinden muss. Das betrifft auch die Transformationen von Gebäuden in Richtung Nachhaltigkeit.
Das fällt in Ihren Geschäftsbereich. Aber wo muss das noch ankommen: bei Privatpersonen oder beim Staat?
Sowohl als auch, aber es geht darum: Die Transformation in Richtung Grün wird uns etwas kosten, und es muss klar sein, wer das alles bezahlt, das werden die Konsumenten und die Industrie nicht allein leisten können. Um das zu schaffen, braucht es auch Hilfe von öffentlicher Hand.
Wird Ihrer Meinung nach zu wenig darauf geachtet?
Ja, vor allem bei Gebäuden wird zu wenig in die Sanierung investiert. Das auch deshalb, weil viele Gebäude der öffentlichen Hand gehören. Die sollte eigentlich mit einem positiven Beispiel vorangehen, dann ziehen auch viele andere mit. Der private Häuslbauer weiß, dass er, wenn er in Isolierung und neue Fenster investiert, Energiekosten spart.
Private können aber auch längerfristiger planen als Politiker.
Man sollte immer im Lebenszyklus eines Gebäudes denken. Die Gebäude von der Vorkriegszeit sind alle noch da. Die wurden so nachhaltig gebaut, dass sie auch 100 Jahre später noch existieren.
Zurück zu der anderen Krise: Während Covid ist Wohnen wichtiger geworden.
Während der Pandemie haben viele in ihr Eigenheim investiert, vor allem, weil reisen nicht möglich war und man sich sein Zuhause verschönern wollte. Das hat also definitiv geholfen.
Das Ergebnis weist 2022 ein Umsatzplus in der Höhe von 13 Prozent aus. Sind die Krisen der Ursprung davon?
Wir wollten schon 2021 die 200-Millionen-Umsatzgrenze knacken, aber durch die verzögerten Lieferketten hat das leider nicht geklappt. Wäre alles normal verfügbar gewesen, hätten wir schon dann diese Marke überschritten. Dadurch ergab sich ein gewisser Überhang, der hat sich nun auf 2022 ausgewirkt. Dazugekommen sind auch Preiserhöhungen, aber wir sind in allen Bereichen gewachsen. Man bemerkt, dass gewisse Förderungen durchaus geholfen haben, die Gebäudesanierung voranzutreiben.
Der Gewinn wird also ähnlich steigen?
Wir haben ein gutes Jahr, aber heuer ist es schwieriger, ein gutes Ergebnis zu erwirtschaften als einen guten Umsatz. Die gestiegenen Preise und Löhne erhöhen den Umsatz nicht, da bleibt der Ertrag auf der Strecke. Man kann nicht alle Kosten, die während des Jahres stiegen, direkt auf dem Markt umsetzen, das ist nicht machbar
Wie viel wird ausgeschüttet?
Der Gewinn verbleibt zu 100 Prozent im Unternehmen - schon die letzten 64 Jahre. Wir arbeiten nicht zur Bereicherung der Eigentümerfamilie, sondern wir wollen, dass das Unternehmen in die nächste Generation kommt. Unser Anspruch ist aber, dass jedes Familienmitglied, das im Unternehmen arbeitet, Anrecht auf ein der Position adäquates Gehalt hat.
Die Preise für Aluminium sind durch den Krieg massiv gestiegen. Wie sehr leidet Ihr Unternehmen darunter?
Es hat uns sehr getroffen, aber die Preise von Aluminium an der Börse haben sich mittlerweile wieder einigermaßen eingependelt. Die Preispolitik ist aber auch von dem jeweiligen Presswerk abhängig: Wir schließen unsere Kontrakte zu unterschiedlichen Zeitpunkten ab. Man muss versuchen, die Preise in einem bestimmten Rahmen immer gleich zu lassen.
Das war im letzten Jahr aber kaum möglich, oder?
Wir haben versucht, das abzusichern, was wir bekommen haben, da hat der Preis keine Rolle mehr gespielt. Durch die gestörten Lieferketten ging es nur darum, etwas zu bekommen und das Volumen sicherzustellen, um lieferfähig zu sein. Das war die größte Herausforderung, aber das ist uns gut gelungen.
Ergeben sich durch solche Krisen neue Beziehungen zu Lieferanten?
Unsere Strategie besagt, dass wir nur Lieferanten aus Europa haben. Wenn ich die Lieferanten besuchen will, damit ich sehe, wie die Produktion läuft, will ich das auch innerhalb eines Tages schaffen können. Außerhalb von Europa wäre das nicht machbar.
Können Sie die Lieferketten Ihrer Lieferanten nachvollziehen?
In vielen Bereichen ist es ein Thema der Verfügbarkeit von Materialien. Elektronikkomponenten werden nicht überall auf der Welt produziert, die gibt es fast nur noch in Asien. Da ist man dann davon abhängig.
Bleibt man mit europäischen Produktionspreisen wettbewerbsfähig?
Wenn man den Gesamtprozess betrachtet, von der Zusammenarbeit hin zu den Logistikkosten und der Nachbetreuung, ist es aus meiner Sicht günstiger, wenn das Material aus Europa bezogen wird. Wir sehen Europa auch als unseren Hauptmarkt und wollen deshalb hier unsere Wertschöpfung haben.
Legen Kunden Wert darauf?
Die Kunden legen Wert darauf, wo tatsächlich produziert wird. Wir produzieren in Österreich und Deutschland, und das ist durchaus ein Entscheidungskriterium.
Bis zu welchem Level können die Preissteigerungen weitergegeben werden?
Das kann nur bedingt weitergegeben werden. Wenn es keine fixen Kontrakte gibt, gibt es natürlich mehr Spielraum, aber die Preise können trotzdem nur moderat angepasst werden. Man darf nicht vergessen - gewisse Kosten bleiben auch in Zukunft hoch, zum Beispiel Lohnkosten. Auch wenn die Inflation wieder sinkt, werden die Lohnkosten nicht automatisch nach unten gehen.
Wo liegt die Schmerzgrenze der Endkonsumenten bei den Preiserhöhungen?
Das hängt von Produkt und Markt ab - aber alles über 15 Prozent wird sehr schwierig.
Ihre Produktion ist energieintensiv.
Wir haben seit 1986 unser eigenes Wasserkraftwerk und produzieren damit unseren eigenen Strom. Wir heizen mit Biomasse und haben dadurch eine nachhaltige Produktion.
Ein eigenes Kraftwerk ist ungewöhnlich.
Mein Vater war Visionär. Sonne ist das Medium, mit dem wir spielen und arbeiten, aber wenn es regnet, hatte das keinen Vorteil für unseren Sonnenschutz. Daraus wurde die Idee geboren, ein eigenes Wasserkraftwerk zu bauen.
Wie viel von Ihrem Strombedarf wird damit abgedeckt?
Wir verkaufen den Strom zu 100 Prozent, beziehen aber das, was wir brauchen, und haben dennoch immer einen Überhang.
Familienunternehmen: Wie einfach ist es, ein solches zu übernehmen?
Das ist nach wie vor ein Transformationsprozess, der nicht von heute auf morgen passiert. Mein Vater ist noch im Aufsichtsrat, deshalb haben wir gute und intensive Gespräche zu vielen Themen. Er hat mehr als 55 Jahre Erfahrung, und ich bin sehr dankbar, dass er noch verfügbar ist. Andererseits hat natürlich jeder seine eigenen Ideen und möchte diese auch verwirklichen. Es klappt im Endeffekt über einen Diskurs und die Bereitschaft, das Unternehmen in den nächsten Abschnitt zu bringen. Es braucht von beiden Seiten Offenheit und Diskussionsbereitschaft.
Sie haben es also nie als Bürde angesehen?
Nein, es ist für mich eine Freude und eine Aufgabe, das weiterzuführen und behutsam mit dem Erbe umzugehen. Ich will es weiterbringen und keinen Blödsinn damit machen.
Sie haben selbst zwei Töchter. Wie wahrscheinlich ist es, dass die beiden das Unternehmen weiterführen?
Die ältere Tochter studiert aktuell Wirtschaft in Innsbruck, und die jüngere Tochter absolviert ebenfalls in Innsbruck eine Modeschule. Ich wünsche mir, dass die eine oder andere im Unternehmen tätig sein wird, aber als Vater lasse ich es ihnen offen, ihre Zukunft selbst zu gestalten, und werde sie dabei unterstützen.
Haben Sie Vorsätze gefasst, falls eine Tochter das Unternehmen übernimmt?
Darüber denke ich fast täglich nach. Es geht aber nicht nur um meine Töchter, ich habe drei Schwestern, die auch alle Kinder haben, und die sind natürlich auch Mitgesellschafterinnen. Die Aufgabe wird es sein, bis zu einem gewissen Punkt zu begleiten und sich dann komplett zurückzuziehen. Freiheiten sind wichtig zur Entwicklung, aber auch, um Fehler zu machen. Dass man mit Fehlern richtig umgeht und daraus lernt ist essenziell.
Wie ist Ihre eigene Fehlerkultur?
Wir sprechen in der Familie offen über Ergebnisse und Dinge, die nicht so gut gelaufen sind. Wir wollen daraus lernen, aber nie mit dem Finger auf andere zeigen, sondern immer im Sinne des Unternehmens handeln.